Die keine Kneipe in unserer Straße

Wenn ostige Eckläden mit vergilbten DVU-Wahlaufklebern an der Kasse schließen und nach monatelangem Umbau in Eigenregie als Café mit albernem Namen wieder eröffnen, ist Gentrifizierung.

Nachdem das auch in unserer Straße langsam anfängt, ich monatelang missmutig an der neuen Lokalität mit meinem „Hier hätte doch gut auch eine Heavy-Metal-Kneipe aufmachen können“-Blick vorbeigelaufen war, habe ich heute mal den Schritt durch die Tür gewagt – wachen Sinns und offenen Herzens wohlgemerkt.

Doch ach. Diese wirklich bis ins letzte phantasielos aus dem Katalog für schräg-gemütliche Cafés zusammengestellten Einrichtung. Ja, Glühlampen ohne Schirm; ja Kuchen unter Glassturz; ja, Siebträgermaschine von italienischer Kultmarke (bloß leider keine, die guten Kaffee machen würde); ja, Speisekarte aus losen Blättern von Klammer auf Holzbrett zusammengehalten; ja, zusammengewürfeltes Mobiliar; ja, Vintagegeschirr.

Auf der Klemmbrettkarte ist natürlich alles ganz dolle biologisch, regional, vegan und glutenfrei. Bestellt werden muss am Tresen, denn bei – mich eingeschlossen – drei Gästen kann man die Zusatzwege den beiden diensttuenden inhabergeführten Servicekräften nun wirklich nicht zumuten. Hinter dem Tresen fiept ein Hund, der Kuchen wird eiskalt aus der Vitrine serviert dafür fehlt beim Cappucino der Löffel.

Man wolle sich aber sowieso nicht unter Druck setzten lassen, gehe es ruhig an und backe nach der hektischen Eröffnung jetzt lieber nur noch zwei statt sieben Kuchen und gönne sich zwei Ruhetage so lassen sie die Macher sich in einem lokalen Gastroblättchen zitieren.

Ich habe aber verstanden, was ich nicht verstehe. Es geht gar nicht darum, dass Hipster keine Gastro können (so wollte ich diese Epistel eigentlich überschreiben), sondern vielmehr darum, dass was in diesem Café stattfindet gar keine Gastronomie, sondern Theater sein will. Die Inszenierung zeigt das locker-luftige Leipziger Lebensgefühl. Man mietet sich für kleines Geld einen coolen Laden an einer angeblich aufstrebenden Magistrale und macht sich sein erweitertes Wohnzimmer in schönstem Neobiedermeier draus, in dem sich dutttragende Gästefreunde auch ein bisschen breit machen, öde Plasikmugge hören und veganen Rüblikuchen essen dürfen.

Wenn es den Betreibern gelingt, sich mit diesem Konzept zu halten, soll mich das freuen. Falls nicht, wüsste ich allerdings schon, wo über dem mit 666 Bourbons bestückten Tresen ich die Glenn Tippton Signature GT-600 hinhängen würde…

 

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