Appalachian Trail, Presidential Range, NH

Appalachian Trail Hike

1. Tag
Anreise zum AMC Highland Center, Bretton Woods, NH

Das erste Mal seit wie vielen Jahren Reisen mit der Randbedingung Tourgruppe. Was auffällt: Man bekommt vorab einen lustigen Kofferanhänger und ein T-Shirt zugeschickt und weil es sich ja um ein Outdoor-Adventure handelt einen ewig langen Fragebogen zu körperlichen Gebrechen, geistiger Fitness und trendigen Lebensmittelunverträglichkeiten. Mit dem T-Shirt, dass man auf einem einsamen Rastplatz 30 Meilen vor dem Treffpunkt überzieht, ist man ab Ankunft am selbigem sofort als Teil einer GRUPPE erkennbar. Dass der Hauptteil dieser GRUPPE bereits biertrinkend vor der Lodge sitzt gibt allerdings Anlass zu Hoffnung, die sich auch voll bewahrheitet, denn bei den angetretenen GRUPPENmitgliedern handelt es sich durchweg um witzige, gebildete, reflektierte Leute mit spannenden Lebensläufen (Microbrewery-Besitzerin, House-Flipper, Studenten, Lehrer, Rechtsanwalt). Highlight unbestreitbar ein ex Marinefunkofizier, der eines Abends auf meine Bemerkung, dass die Art wie die Matratzenlager auf der Hütte gestapelt sind, doch sehr an the German Movie Das Boot; erinnert nur meinte: „I will stand next to your bench tonight shouting Alaaaaaaarm!!!!“
Vor dem Abendessen gibt es dann noch ein Treffen mit den beiden Guides (kernig-enthusiastisch) und viele Formulare zum unterschreiben. Als Highlight des Family Style Dinner wird wohl die magentafarbene Sauce in Erinnerung bleiben, von der auch meine neuen amerikanischen Freunde nicht wussten, ob es a) Salatsoße, b) Cranberrysoße zu den Putenschnitzeln oder c) Soße zum Nachtisch war. (Wir haben sie der Einfachheit halber über alles gekippt.)

2. Tag
Ammo Ravine Trail – Mt. Washington – Lake of the Clouds Hut

Merke, kein Tag ohne dem Amerikaner sein gekochtes Riesenfrühstück mit Eiern, Speck und Porridge. Angesichts der Tageszeit winke ich ab und belasse es bei einem Kaffeetee mit etwas Müsli.

Wanderkarte
Wanderkarte

Schon nach wenigen Minuten auf dem Trail wird mir auch hier, wie auch schon in Vermont und im Franconia State Park klar, dass die amerikanischen Wanderwege sich doch um einiges von den Deutschen unterscheiden. Sie folgen meist alten Gletschertobeln und somit der Direttisssima. Serpentinen (engl. switchbacks) gab es in den drei Tage gerade mal vier! Dazu kommt, dass sich die White Mountains, obgleich von einst alpinen Dimensionen auf Mittelgebirgsmaß heruntererrodiert, sich noch immer zünftig steil über die Täler erheben. Mit anderen Worten, der Aufstieg auf die Kammlage (engl. ridgeline) ist immer sehr anstrengend, der Abstieg kniegelenkreizend.
Aufstieg zur Lake of the Clouds Hut
Aufstieg zur Lake of the Clouds Hut

Von der Hütte geht es dann über ein Geröllfeld (Glimmerschiefer und Gneis) zum Mt. Washington, dem höchten Berg Neuenglands. Mit ca. 11 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von 60 bis 70 KM/H ein balsamartiger Hochsommertag an diesem ungastlichen Ort.
Wetterwarnung am Mt. Washington
Wetterwarnung am Mt. Washington

Die Nacht in der Hütte gibt dann Anlass zu interessanter Feldforschung; die Ergebnisse hier in Stichpunkten:

  • Die Hütten des Appalachian Mountain Club (AMC) erfüllen voll und ganz den gängigen D.A.V.-Standard – von 1963.
  • Norm sind: 12-er Schlafsäle, kaltes Wasser, Plumpsklos, unbeheizt, Hüttenruhe 21:30, Wecken 6:30. Nostalgiker aller D.A.V.-Sektionen, denen das ganze Luxusschlampentum in den Alpen seit Jahren auf die Nerven geht – kommt nach New Hampshire!
  • Anders als D.A.V.-Hütten werden die Hütten des AMC durchweg von Collegestudierenden auf Sommerjob betrieben. Diese haben meist lustig anmutende Fächerkombnationen wie Liberal Arts and Ethnobotany oder Astrogeology and Theatre), sind von ihrer Mission als Hut-Croo (sic!) relativ beseelt und, hüstl, ein klein wenig sonderlich.
  • Amerikaner fühlen sich auf Berghütten anscheinend gerne an ihe Zeit im Summer Camp [1] erinnert, weshalb z. B. mit lustigem rhythmischem Gesang und Topfgedengel zum Abendessen gerufen wird, beim Abendessen ständig irgendwelche Ansagen zum Hüttenleben, dem abendlichen lehrreichen Astronomy-Talk [2] und zur Tatsache, dass wegen Abfallvermeidung keine Servietten auf den Tischen stehen, man doch aber einfach, hihi, den Ärmel des Tischnachbarn benutzen soll [3].
  • Wahrscheinlich auch im Geist der der Summer Camp-Tradition folgt dann die namentliche Vorstellung der gesamten Hut-Croo [4]. Beim Blick auf das Küchenpersonal mögen zugereiste Europäer eventuell denken, dass man diese Schürzen und, generell, die darin befindlichen Menschen vielleicht mal wieder waschen könnte, bevor Sie rohes Gemüse zubereiten, aber das ist natürlich so gar nicht im Geiste der Summer Camp-Tradition.
Abendstimmung Lake of the Clouds Hut, NH
Abendstimmung Lake of the Clouds Hut, NH

Am morgen folgt das unvermeidliche gekochte Frühstück, gefolgt vom gefühlt 43. gebrüllten „May we have your attention please“. Darufhin wird der Wetterbericht verlesen und dann mittels eines kurzen, lustigen Sketches (!) die Botschaften 1. Bitte falten Sie ihre Wolldecken zusammen, 2. Bitte nehmen Sie allen Müll mit und 3. Bitte geben Sie der Hut-Croo *würg* ein dickes Trinkgeld. Richtig gelesen: Sketch! Um halb acht in der Früh!! Nur so viel, es gibt Airline Safety Videos, die sind um einiges lustiger; und da meine ich jetzt nicht die guten von Air New Zealand.

3. Tag
Crawford Path – Mt. Monroe – Mizpah Springs Hut

Das Wetter wird nochmal eine Ecke besser und die Aussicht von der Presidential Range über die White Montains ist wirklich phänomenal. Der Weg ist dabei den ganzen Tag ein nettes Auf und Ab mit ganz vielen kleinen Gipfeln, Foto- und Snackstops.
Abends in der Hütte s. o. Und zwar ganz genau so wie oben. Standardisierung im Beherbergungsgewerbe halt.

Gipfelpanorama Mt. Monroe, NH
Gipfelpanorama Mt. Monroe, NH

Appalachian Trail, Presidential Range, NH
Appalachian Trail, Presidential Range, NH

4. Tag
Crawford Path – AMC Highland Center
Die jetzt bestens eingewanderte Gruppe schafft den Abstieg ziemlich flott so dass das Appalchian Trail Adventure leider schon am späten Vormittag zu Ende ist.

Bilder Vorher-während-nachher

Alles in allem eine wirklich schöne, lange Wanderung mit einer super-sympatischen Gruppe. Zum Teil hatte es die Tour in sich, v. a. am ersten Tag. Für ein Mittelgebirge heizen die White Mountains den Wanderer ganz schön ein, belohnen aber mit immer neuen weiten Blicken über fast unberührte Natur und eine irgendwie zu Herzen gehende Kargheit in der hochalpinen Zone, die hier schon ab 1.300 Metern beginnt.

Appalachian Trail, Presidential Range, NH
Appalachian Trail, Presidential Range, NH

Schön hätte ich noch gefunden, etwas tiefer in die Wildnis vorzudringen, aber dazu muss man dann wohl auf den Hüttenluxus verzichten und selber das Zelt schultern. Das Ganze war wirklich auch gut organisiert und den Veranstalter REI möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich loben und empfehlen!


[1] Beliebte Kinderentsorgungsmöglichkeit während der unnatürlich langen amerikanischen Sommerferien mit Sammelunterkünften, Gemeinschaftsduschen und vielerlei sportlich-lehrreichen Aktivitäten (wer geht mit ’ne Runde kicken, komm‘ alle Jungs mögen doch Fußball?!) siehe auch www.hoelleauferden.com.
[2] Beim Erfinden der Titel besteht Wortspielpflicht, wie die Beispiele Owl be there, Don’t take it for Granite und Gourgeous Gorges zeigen.
[3] Siehe auch www.hamburg-die-stadt-der-drei-meere.hh.
[4] Ein Ausdruck, der ab der dritten Nennung Bauchkrämpfe und Kopfschmerzen verursacht.

7 Gedanken zu “Appalachian Trail Hike

  1. Sehr schön geschrieben. Ich hab mich weggeschmissen! Und hab mich auch erinnert an unsereTouren in den NP. Viel Spaß noch!

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  2. Zwischen Lachen und Aufheulen vor Neid las die Gattin. Besonderer Dank vom Kinde für die Fotos vom Vater.
    Ich bin sehr auf Detailschilderung gespannt was die Amerikaner betrifft. Martin freut sich bestimmt am Marine! Und gab’s ALARM!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Haste ihm ach ein MORGEN! entgegengeschmettert? Anständigen Kaffee gab’s bestimmt nicht (Kaffe, hier!?!)
    Bis übermorgen!!!! Jetlag vortäuschen gilt nicht, Emi besteht auf Abholen ausm KiGa

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  3. Holldrio,

    Tobse, Dir ist klar, Du bist im Paradies! Die Appalachen lachen wirklich, jeder Tag ein bunter Strauß blühender Skurilitäten…einen kurzen Augenblick wird´s warm im Universum! Das ausgerechnet in God´s own Country im Bergwandern spartanische Verhältnisse regieren hätt´ ich mir nicht träumen lassen, kratzen die Bettdecken wenigstens auch vorschriftsmäßig? Wahrscheinlich steht noch irgendwo heimlich „Bundeseigentum“ drauf, dann ist die German-Gemuetlichkeit am Zenit. Trotzdem, Tobse, irgendwas ist faul an der Sache…6:30 Uhr wecken? Ehrlich? Das sind ja fast schon Rahmenbedingungen nach Knallinski-Standard! Du komm´ mir nach Hause!! Zur Strafe gibt´s dann ab sofort alle Tobelwege für DICH nach US-Vorbild ohne „switchbacks“. So kann´s gehen…many have died….hihi

    Edi

    P.S.: zu [1]: Poc…Auaaa

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